3. Mediationstag in Schleswig-Holstein

Die Verantwortlichen des Mediationstages 2014: (von links) VPräsOLG Rainer Hanf, PräsLVerfG Dr. Bernhard Flor; VRiOLG Dr. Martin Probst; Dipl.Ing.agr. Dr. Bärbel Bischoff, Rechtsanwalt Sascha Boettcher, Dipl.Päd. Jutta Nissen, Mediatorin Jasmin Groth, MR Dr. Dirk Bahrenfuss, VRiOLG Dr. Armin Teschner, VRiOLG Ulrich Hecht.

Bericht aus dem Forum: Familien in der Mediation –
gerichtliche und außergerichtliche Verfahren

Es gibt viele unterschiedliche Wege, die ein Paar/Ehepaar/eine Familie gehen kann, wenn tiefgehende Probleme und Konflikte vorliegen oder die Trennung/ Scheidung ansteht.

Welche Angebote existieren, sich in diesen zumeist hocheskalierten und emotional belasteten Situationen Hilfe zu holen?

An welche Berufsgruppen können sich Mediations-Suchende wenden?

Welche gerichtlichen und außergerichtlichen Verfahren der Konfliktlösung gibt es?

Und eine Frage zu dem überspannenden Netzwerkthema des Mediationstages: Sind diese unterschiedlichen „Systeme“ – bspw. Beratungsangebote, freie Mediation, Mediation beim Güterichter – ergänzend oder eher konkurrierend?

Was können diese „Systeme“ voneinander lernen – voneinander profitieren?

Ein möglicher Verlauf in familiären Konfliktsituationen:

Das Paar sucht Gespräche mit guten Freunden – oder auch vertrauten Personen wie Arzt oder ein Seelsorger. Findet sich kein Ausweg aus der Krise, werden Beratungsstellen (bspw. Haus der Familie, Pro Familia, Jugendämter) um Gespräche gebeten. Einigen Familien ist auch der „Familienrat“ bekannt (eine aus Neuseeland stammende und bei uns seit 2006 bewährte Methode der Konfliktbearbeitung/Regelung unter Einbezug des Familiensystems und angrenzender Helfersysteme mit Moderation eines geschulten Familienrates).

Viele wünschen sich gerade in dem Moment, wo der Konflikt eskaliert und die emotionale Belastung stark zunimmt – und das Paar typischerweise „nicht mehr miteinander reden kann“ – den Einbezug eines neutralen Dritten – da wird dann die Mediation oder Paarberatung benannt.

Wird aber kein Sinn mehr in dem Fortbestand der Ehe gesehen, dann werden entweder gute Regelungen in einer Trennungs/ Scheidungsmediation gesucht bei freien Mediatoren und Rechtsanwaltmediatoren – oder das Gericht eingeschaltet.

In dem Forum „Familien in der Mediation“ wurde vorrangig ein Blick geworfen auf typische beteiligte „Systeme“ in diesen Konfliktsituationen:

  • „Jugendhilfe“ (aus dem Feld „Beratung“),
  • „freiberufliche Mediation“ und
  • „Mediation beim Güterichter“.

Wir hörten dazu Impulsreferate von Herrn Dr. Ralf Bauer vom AG Flensburg (Güterichter) und Herrn Arne Carlsdotter von der VIA-NOVA (Mediator). Die Moderation übernahmen Dipl. Päd. Jutta Nissen (Mediatorin BM®) und Dr. Dirk Bahrenfuss (MRat, Min. für Justiz. Kultur und Europa).

Anhand der Trennungs- und Scheidungsberatung der Jugendhilfezentren der Stadt Hamburg stellte Herr Carlsdotter die Arbeit mit Familien aus seiner Praxis vor.

Unterstützung von Familien/Kindern/Jugendlichen in Konfliktsituationen in der Familie ist immer einzelfallorientiert, erfolgreiche Hilfen setzen bei den Stärken und Kompetenzen des Individuums an, versuchen Selbsthilfe zu aktivieren und tragen den Glauben der Selbstwirksamkeit in sich. Wenn eine Trennung/ Scheidung ansteht, wird daher umgehend Beratung angeboten – denn diese Situation ist für alle Familienmitglieder hochemotional belastend.

Die Forschungsergebnisse der letzten 30 Jahre haben ergeben, dass der entscheidende Faktor für die Wirkung/Auswirkung einer Scheidung auf Kinder die Kooperationsfähigkeit der Eltern ist. Anneke Napp-Peters (1995; Scheidungsfamilie aus längsschnittlicher Perspektive) kommt in ihrer Studie zu dem Ergebnis, dass lang anhaltende Auffälligkeiten (die bei ca. 25% aller Scheidungskinder auftreten) zu 70% mit mangelnder Kooperationsfähigkeit der Eltern korrelieren.

Ein weiteres Ergebnis des Forschungsprojektes „Kinderschutz bei hochstrittiger Elternschaft“ (Das Deutsche Jugendinstitut führt in Kooperation mit dem Institut für angewandte Familien-, Jugend- und Kindheitsforschung an der Universität Potsdam (IFK) sowie der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke) ein Forschungsprojekt zum Kinderschutz bei hochstrittiger Elternschaft durch): „Soziodemografische Merkmale haben keinen Einfluss auf die Hochkonflikthaftigkeit von Eltern in Trennung und Scheidung!“

Egal welches Alter, welcher Bildungsgrad, welche kulturellen Hintergründe – Kinder leiden sehr unter hochstrittigen und emotional belastenden Situationen in der Trennungssituation der Eltern – sie reagieren häufig mit psychosomatischen, psychischen oder verhaltensbezogene Auffälligkeiten, besonders nach den Besuchswochenenden. Oft verweigern Kinder dann auch den Umgang mit einem oder anderen Elternteil.

Wie geht man mit Kindern in diesen eskalierten Konflikten um? Wie und wann – oder überhaupt – bezieht man Kinder/Jugendliche mit in Beratungs/Mediationssettings ein? Eine These von Herrn Carlsdotter: „Wenn Eltern in der Beratung soweit gelangt sind, dass sie ihre Ursprungshypothesen bezüglich der Interpretation der kindlichen Verhaltensweisen bei Seite legen und bereit sind, die echten Beweggründe ihrer Kinder wahrzunehmen, ist aus meiner Sicht der richtige Zeitpunkt für den Einbezug von Kindern.“

Professionelle Arbeit mit hochkonflikthaften Familien stellt nicht nur hohe inhaltlich-methodische Anforderungen an die Berufsgruppen. Auch die gedankliche und emotionale Ausgeglichenheit von BeraterInnen, MediatorInnen, JugendamtmitarbeiterInnen, RichterInnen und RechtsanwältInnen wird von den streitenden Eltern in Trennung und Scheidung regelmäßig auf die Probe gestellt. Auswege aus der Hochstrittigkeit sind am ehesten zu finden in einer einheitlichen und abgestimmten Arbeitsweise des gesamten Helfernetzes.

Über die Arbeit als freiberufliche Mediatorin berichtete Jutta Nissen, dass typische Familienkonflikte ein breites thematisches Gebiet vom „Taschengeldkonflikt“ bis zu „Leben in Patchworkfamilien“ und auch „Scheidung und Trennung“ beinhalten. Vielen Paaren ist es sehr bewusst, dass mit einer Scheidung zwar eine „offizielle“ Trennung vollzogen wird, dass aber trotzdem der Beziehungsaspekt künftig eine Rolle spielt. In der Zukunft werden immer wieder Situationen entstehen, wo die früheren Ehepartner aufeinandertreffen – sei es Konfirmation der Kinder, eine Hochzeit oder Familienfeste. Auch die Besuchswochenenden sind häufig ein Grund für Aufflammen der unbearbeiteten Konflikte – viele Nebenkriegsschauplätze werden eröffnet. Daher ist es immer lohnenswert, Konflikte grundlegend aufzuarbeiten und gute Regelungen für die Zukunft zu erarbeiten, um eine von beiden Seiten als fair empfundene Trennung und Scheidung zu vollziehen.

Aber auch wenn die Familien in Trennung und Scheidung bereits im Gerichtsverfahren sind, bietet sich mit „Mediation beim Güterichter“ noch die Möglichkeit, eine einvernehmliche gute Regelung zu finden.

Herr Dr. Bauer gab uns einen Überblick über die Zahlen aus 2013. Im AGe waren von 224 durchgeführten Familienmediationen beim Güterichter 154 (70%) erfolgreich. Im OLG waren von 27 durchgeführten Familienmediationen 17 erfolgreich (63%). Die Richter werden von den Beteiligten als verhandlungserprobt angesehen – dieses zusammen mit einer Ausbildung in Mediation und begleitender Supervision trägt zum Erfolg bei.

Aber es wurde auch kritisch die Situation am Gericht beleuchtet. Bspw. hält das Gesetz ein ganzes „Arsenal“ bereit, welches im Konfliktfalle beschritten werden kann (wie Sorgerecht/ Umgangsrecht/Unterhaltsrecht usw.); einfacher gesagt „übersetzt“ das Gesetz den Konflikt in Geld und Machtausübung. Das meist sehr tief gehende Zerwürfnis zwischen den Konfliktpartnern wird dabei (leider) häufig außer Acht gelassen.

Daher sehen die Richter mit Sorge auf ein Phänomen: es gibt immer komplexer werdende Konflikte und Verfahren – die Zeit der Bearbeitung ist aber begrenzt; wird also der eigentliche tiefgehende Konflikt wirklich gut bearbeitet?

Weitere kritische Fragen wurden gestellt:

Ist das, was angeboten wird, eigentlich im tiefsten demokratischstem Sinne „echte“ Mediation? Oder werden die Beteiligten eher zu einem Vergleich „hingeleitet“?

Wie nachhaltig ist die Konfliktregelung? Das wäre ein Qualitätsmerkmal einer Regelung!

Und was tun eigentlich die beteiligten „Helfersysteme“, um den Konflikt aufzuarbeiten, zu befrieden und gute Regelungen zu finden?

Ist im Kern von den verschiedenen beteiligten Systemen eine gute Regelung gewünscht?

Arbeiten die beteiligten Gruppen (Rechtsanwälte, Mediatoren, Richter, Beratungsstellen) zusammen?

Werden die Kompetenzen dieser unterschiedlichen Systeme genutzt?

Herr Dr. Bauer gab einen Ausblick auf eine mögliche veränderte Konfliktkultur. Dafür wäre allerdings eine wesentliche Veränderung der Wahrnehmung erforderlich: der Fokus müsste sich wenden vom „Arsenal“ und der „Abarbeitung eines Konflikts“ hin zum Willen und Wollen der wirklichen Bearbeitung von Konflikten, Hilfe beim Erkennen und Anerkennung der Konfliktursachen und dem eigenverantwortlichem Auffinden guter und nachhaltiger Lösungen.

Die Tätigkeit des Richters wäre dann die eines „Konfliktberaters“ und „Informationsgebers“. Dazu gehört selbstverständlich die Verzahnung der in diesem Beitrag kurz dargestellten Helfersysteme.

Das Ziel wäre eine hochprofessionelle und inhaltlich-methodische hochwertige Arbeit durch die gute Vernetzung und Arbeit der verschiedenen Berufsgruppen – um eine wirkliche, tragende, nachhaltige Regelung im Sinne der Familien treffen.

Die Autorin ist von Beruf Diplom Pädagogin, ausgebildete Mediatorin und Ausbilderin in Mediation, stellvertretende Leiterin der Nordsee-Akademie in Leck und Leiterin der RG Gruppe Schleswig des BM. Sie hat das Forum 2 „Familien in der Mediation – gerichtliche und außergerichtliche Verfahren“ zusammen mit Herrn Dr. Dirk Bahrenfuß auf dem Mediationstag am 13.9.2014 in Schleswig moderiert.